von Eynern, Friedrich

Friedrich von Eynern

1805-1882

Zu den liebenswürdígsten Persönlichkeiten der Wuppertaler Geschichte zählt der Barmer Friedrich von Eynern. Er kann als Prototyp des großbürgerlichen Biedermeiers gelten: gebildet und vornehm, zurückhaltend und voller menschlicher Wärme, aufgeschlossen und pflichtbewußt. Seine Familie gehört der jüngeren Schicht des Wuppertaler Honoratiorentums an, kam doch erst der Großvater Johann Peter nach Barmen. Die Familie selbst stammte vom Sattelhof Eynern, sie war also eine alteingesessene märkische Freibauernfamilie, Während der Großvater eine Band- und Litzen-„Fabrik“ betrieben hatte, erweiterte sein Vater, Johann Friedrich, gemeinsam mit seinem Onkel, Wilhelm, das Geschäft, indem sie zunächst auch Twiste und Garne, später dazu Indigo handelten. Der Indigogroßhandel wurde bald zum wichtigsten, später zum alleinigen Gegenstand der Firma, die mit der lndustrialisierung des Wuppertals an Bedeutung gewann. Alle anderen Handlungszweige wurden gänzlich Mitte der 40er Jahre eingestellt, nachdem Friedrich gemeinsam mit seinem Vetter Wilhelm d. J. das Geschäft übernommen hatte.

Der junge Kaufmannssohn wurde mit der auch im vermögenden Bürgertum der Zeit üblichen Schlichtheit erzogen. Bis zum 12. Lebensjahr besuchte er die Kirchschule (Volksschule) in Wupperfeld; dann kam er drei Jahre zu dem Pastor Hülsmann in Rüggeberg bei Hagen, der einen bedeutenden Ruf als Pädagoge genoß, als Internatsschüler. Anschließend nahm ihn ein befreundetes Handelshaus in Gent, die Firma Joh. Pauly u. Clauß für drei Jahre als Lehrling auf. In der alten Handelsstadt lernte der junge Kaufmann nicht nur die Anfangsgründe des Handels, sondern er wurde auch zugleich mit Sprache und Verhältnissen des westlichen Auslandes vertraut, eine damals unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche kaufmännische Laufbahn. Ausgedehnte Reisen und längere Aufenthalte in Holland, Frankreich und England erweiterten und vertieften die Weltkenntnisse. In der Zwischenzeit arbeitete er im väterlichen Geschäft, in das er 1830 als Teilhaber aufgenommen wurde. Bereits 1829 heiratete er Emilie Rittershaus (1806¬1878), Tochter des Seidenfabrikanten Johann Abraham Rittershaus. Mit Eheschließung und Teilhaberschaft war der weitere Lebensweg vorgezeichnet. Zu seiner Tätigkeit gehörten weiterhin ausgedehnte Reisen. Abwechselnd fuhren die Teilhaber jährlich viermal nach London und dreimal nach Amsterdam und Rotterdam. Diese Reise- und Geschäftstätigkeit sollte nicht unterschätzt werden, blieb doch, selbst als die ersten Eisenbahnen entstanden, die Fahrt eine mühevolle Angelegenheit. Die kaufmännische Tüchtigkeit läßt sich an der stetigen Fortentwicklung der Handlung, die bald eine der bedeutendsten

des Wuppertales wurde, erkennen. Nach dem Tod des Onkels und dem Ausscheiden des Vaters setzte Friedrich bis 1860 gemeinsam mit seinem Vetter Wilhelm d. ]. die Handlung fort. Dann trennten sich die Vettern und Friedrich eröffnete am 1. Januar 1861 gemeinsam mit seinen

Söhnen eine eigene Indigo-Großhandlung, die er bald zu hoher Blüte brachte.

Wie viele andere Angehörige der Honoratiorenschaft bleibt auch Friedrich von Eynern nicht im Raum seines Geschäftes. Wie sein Vater und sein Großvater vor ihm, wie sein Sohn nach ihm sah er in seiner gesellschaftlichen und geschäftlichen Funktion nicht die alleinige Erfüllung seiner Lebensaufgabe, sondern fühlte sich dem öffentlichen Leben verpflichtet. Deshalb widmete er die freie Zeit, die ihm Beruf und Familie ließen, der Arbeit am Gemeinwohl. Bereits 1837 wurde er in den Stadtrat berufen, 1846, bei der ersten Barmer Stadtratswahl, erneut gewählt. Die Revolution 1848/49 berief ihn zu größeren Aufgaben. Zwar stand er liberalen Ansichten nicht fern, aber er sah doch in der Monarchie die einzige Regierungsform. So kam es, daß er bald an führender Stelle innerhalb der antirevolutionären Kräfte der Stadt stand. Aus dem Kreise des Wupperfelder Vereins für Kunst und Gewerbe entstand unter seiner Leitung der „Konstitutionelle Verein für Rheinland

und Westfalen“, der sich die „Befestigung und Ausbildung unserer konstitutionellen Monarchie und der nach diesen Grundsätzen sich bildenden Verfassung des deutschen Bundesstaates, Bekämpfung aller revolutionären und reaktionären Bestrebungen, Festhalten an dem Grundsatz der

Monarchie und der Person des Königs, die heilig und unverletzlich ist, Belebung und Förderung der Teilnahme an unsern staatlichen Angelegenheiten“ zum Ziel gesetzt hatte. 1849 wurde er dann zum Abgeordneten der preußischen Zweiten Kammer gewählt, der er – mit Unterbrechungen 1852-1855, 1860-1866, also immer während der geschäftlichen Veränderungen – angehörte. Er schloß sich den versehiedenen altliberalen Fraktionen an, 1868 wurde er zum Vorsitzenden der altliberalen Restfraktion berufen. In der Kammer befaßte er sich vornehmlich mit wirtschaftlichen Fragen. Lange Zeit gehörte er u.a. den Kommissionen für Handel und Gewerbe und für Handelsverträge an. Es war selbstverständlich, daß er darüber hinaus besonders die Belange seiner Heimatstadt vertrat. Auf seine Intervention ist es mit zurückzuführen, daß Barmen 1860 die Selbständigkeit als Kreisstadt erhielt. Aber auch in anderen Ehrenämtern bewährte er sich; so war er 1865-1878 Präsident des Barmer Handelsgerichtes. Bis zu seinem Tode gehörte er der Repräsentation der Lutherischen Gemeinde Barmen-Wupperfeld an. Auch diese Vereinigung von kirchlichen und weltlichen Ehrenämtern war für viele Männer seiner Generation typisch; sie deutet auf die religiöse Begriindung der öffentlichen Leistung hin, die als gottgegebener Auftrag angesehen wurde.

Gewiß, auch im politischen Leben gehörte Friedrich von Eynern nicht zu denen, die besonders hervortraten. Er war kein „homo politicus“, wie etwa August Freiherr von der Heydt oder Friedrich Engels, um nur zwei Wuppertaler zu nennen, die gleichzeitig politisch von besonderer Bedeutung waren; er war auch nicht besessen von einer Idee, die er um jeden Preis erkäınpfen wollte, wie etwa Johannes Schuchard, der Wuppertaler Vorkämpfer gegen die Kinderarbeit. Will man sein Wirken beurteilen, so müßte man wohl eher an einen rechtschaffenen Hausvater denken, der seine Pflicht sieht und erfüllt. Ordensauszeichnungen und der Titel Geheimer Kommerzienrat waren der äußere

Lohn. Ein Denkmal setzte dem 1882 Verstorbenen sein Sohn Ernst in einer kurzen Biographie: „Was ihn in allen Lebenslagen auszeichnete, war seine unerschütterliche Liebe zum Bergischen Land und zu dessen Herrscherhause und eine glühende Verehrung für die Person des Monarchen“ konnte der Sohn schreiben; wir vermögen hinzuzufügen, daß er den Heutigen als einer der besten Vertreter des Bürgertums einer vergangenen Zeit und in der schlichten Selbstverständlichkeit des Einsatzes für Stadt und Staat als Vorbild gelten darf.

Dr. Wolfgang Köllmann, Wuppertal

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