Große Kunst, kleine Kapelle – Die Auferstehung Christi in der Herz Jesu Kirche
Hünefeldstraße 54, 42285 Wuppertal | unbekannter Künstler | 1950
Von Sebastian Pallach
Jedem, der schon einmal in einer Kirche war, sind sicherlich die leuchtenden, großen und bunten Glasfenster nicht entgangen. Aber hat man sich selbst wirklich einmal intensiv eines dieser Fenster angesehen?
Meist transportieren sie deutlich mehr religiösen und künstlerischen Inhalt als man denken mag und sind auf jeden Fall einen Blick wert. Bei über 40.000 Kirchen und Kapellen in Deutschland fällt die Suche danach auch nicht schwer. Überall gibt es sie in den verschiedensten Formen und Farben, genauso auch in der Kath. Kirche Herz Jesu in Wuppertal-Barmen.
Die Kirche befindet sich an der Hünefeldstraße 54 in Wuppertal-Barmen. Es handelt sich um eine dreischiffige Hallenkirche mit Turmfront am Eingangsportal. Sie wurde 1902/1903 im neugotischen Stil vom Architekten Gerhard August Fischer errichtet. Fischer war ein Vertreter des Historismus; Er entwarf viele Bauten mit Rückbezug auf Stilrichtungen der vergangenen Jahrhunderte. Eines seiner bekanntesten Projekte war der Wiederaufbau von Schloss Burg in Solingen. Die Planung der Errichtung eines neuen Kirchenensembles in Barmen begann bereits im Jahre 1888 im Zuge von Stadterweiterungs-planungen, die aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung notwendig wurden. Im Jahre 1894 entschied man sich, das zu errichtende Gotteshaus als Herz-Jesu-Kirche zu benennen. Dem lag eine ,für den Historismus typische, Rückbesinnung auf die im Hochmittelalter entstandene Herz-Jesu-Verehrung zu Grunde. Diese deutet das Herz Jesu als Sinnbild für die gottmenschliche und erbarmungsvolle Liebe Christi zu den Menschen. Im Historismus hatte diese spirituelle Verehrungsform erneut besondere Popularität erlangt, wodurch in dieser Zeit mehrere Herz-Jesu-Kirchen entstanden. 1899 war die Grundsteinlegung, 1903 wurde der Bau abgeschlossen und geweiht. Die Herz-Jesu-Kirche befindet sich seit 1996 in der Denkmalliste der Stadt Wuppertal.
In der Kirche Herz Jesu gibt es insgesamt 24 Buntglasfenster, die alle im 20. Jahrhundert entstanden sind. Es lassen sich sowohl abstrakte Fenster als auch Fenster mit figürlichen Szenen aus der Bibel finden. Die Räumlichkeit ist für die Positionierung von den Glasfenstern ein wichtiges Kriterium. Glasfenster, die Schlüsselszenen aus dem christlichen Glauben veranschaulichen, lassen sich häufig im Chorbereich vorfinden. Dieser Ort kann durch den dort befindlichen Altar als Mittelpunkt des Gotteshauses angesehen werden kann.
Auch in kleineren Kapellen, die sich im Kirchenraum befinden und zum Zwecke der privaten Andacht genutzt werden können, sind häufig Glasfenster mit christlichen Schlüsselmotiven zu verorten. So auch in der Barmer Kirche Herz Jesu. Die kleine Kapelle, welche sich auf der nordwestlichen Seite der Kirche befindet, beherbergt ein Glasfenster, das die Auferstehung Christi verbildlicht. Es ist etwa auf das Jahr 1950 zu datieren und besteht aus drei Fensterbahnen, die wie ein Triptychon aufgebaut sind und mit einem dreipassförmigen Abschluss enden.
Das mittlere Fenster verbildlicht die Auferstehung Christi: Jesus steht im oberen Bildfeld mit einem Nimbus aufrecht und zeigt mit erhobenen Händen seine Kreuzigungswunden. Er blickt, ein blaues Gewand tragend, in frontaler Weise auf den Betrachter. Die Farbe Blau wird in der christlichen Ikonographie als himmlische Farbe angesehen und symbolisiert – genau wie Jesus selbst – die Verbindung zwischen himmlischer und irdischer Welt. Die aufrechte Haltung und die – bis auf die Kreuzigungswunden – körperliche Unversehrtheit kennzeichnen ihn als Sieger über den Tod. Im unteren Teil des Fensters befindet sich die Aufschrift: „Du Sieger – Du König – Sehe unsere Not“. Gestalterisch ist das Fenster aus vielen geometrischen Formen zusammengesetzt, welche klar voneinander abgegrenzt sind. Diagonale Linien ziehen sich teilweise durch das gesamte Fenster und sind damit optisch sehr dominierend, während geschwungene Linien lediglich vereinzelt und etwas akkumulierter bei dem Gewand von Jesus zu erkennen sind. Die geometrischen Formen im Hintergrund könnten einen Grabbau andeuten, aus dem Jesus hinaussteigt, und mehrere geschwungene Linien, die mit weißen Glasscheiben unterlegt sind, erinnern an ein Leichentuch, das auf der Grabkonstruktion aufliegt.
Die flankierenden Fenster sind ebenfalls hauptsächlich aus geometrischen Formen zusammengesetzt und weisen eine klare Struktur auf. Beide Fenster besitzen jeweils zwei blütenförmige Ornamente, die zentral angeordnet sind und durch ein kreuzförmiges Raster miteinander verbunden sind. Durch das Raster entstehen um die runden Ornamente jeweils vier rechteckige Felder, in denen sich Symbole der Passion befinden. In den Rechtecken sind Attribute wie Hammer, Lanze, Rutenbündel (Arma Christi) sowie Blutstropfen zu erkennen. Die Arma Christi stehen für das Leid und Sterben von Christus am Kreuz.
Insgesamt handelt es sich meiner Meinung nach um eine sehr stimmige Komposition in Form und Farbe. Die klare Strukturierung der Glasfenster gepaart mit der stillstehenden Körperhaltung Jesu sorgt für eine optische Ausgeglichenheit. Diese wird durch die hellen und zugleich sanften Gelb-, Blau- und Grüntöne bekräftigt und evoziert eine beruhigende Wirkung. Gleichzeitig wirkt das Fenster nicht zu statisch, da die geometrischen Formen im Hintergrund und die unregelmäßige Anordnung der verschiedenen Farben die Struktur aufbrechen. Christus hebt sich mit seinem strahlenden blauen Gewand besonders vom Hintergrund ab und scheint den Blick des Betrachters einzufangen.