Zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die Glasfenster von Udo Unterieser in der Kapelle des Altenheims St. Suitbertus
Kapelle des Altenheims St. Suitbertus | Kölner Str. 4, 42119 Wuppertal |Udo Unterieser | 1980
Von Anna Koston
Das katholische Altenheim St. Suitbertus im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld verzeichnet fünf Glasfenster des Glasgestalters Udo Unterieser. Die Fenster tragen den Titel ,,Freie Komposition” und treten vor allem durch ihre abstrakte Formensprache hervor. Wie die Freie Komposition offenbart, hebt sich Unteriesers Glaswerk von der klassischen Glasmalerei der Vorkriegszeit ab, die von figurativer Dreidimensionalität geprägt ist. Seit den 1980er Jahren zieht sich die zweidimensionale Abstraktion verstärkt durch die Glaskunst von Unterieser und ist vor allem im öffentlichen Raum vertreten. Warum die Glasfenster von Unterieser die traditionelle Glaskunst überwinden, beantwortet sich mit einem Blick auf die sich in der Kapelle befindlichen Fenster, die die rechte Seitenwand zieren.
Besonders das Fenster in direkter Nähe zum Altar, das das erste von vier ausführenden Glasfenstern in der Kapelle bildet, deutet Unteriesers Spiel mit amorphen Formen und reduzierter Gegenständlichkeit an. Das einbahnige Glasfenster setzt sich aus unterschiedlich gefärbtem Antikglas, Blei und Glasbrocken zusammen.
Der zweidimensionale Aufbau des Glasfensters fügt sich aus einer schwarzen Ummantelung aus Blei zusammen. Innerhalb dieser Umrahmung folgen geometrisch angelegte und unterschiedlich große Glasscheiben einem diagonalen Muster, das in Abschnitten weitere Konturen bildet, bis die hellblau getönten Scheiben in größere helle Flächen übergehen. Zentral umgeben die groß angelegten Flächen eine abstrakte Figur in ihrer Mitte, die sich aufgrund der intensiven Farbigkeit von ihrem äußeren Umfeld abhebt.
Im Mittelpunkt steht dabei die amorphe, stark abstrahierte Figur. Die Gestalt schließt sich aus zwei unterschiedlich großen Segmenten zusammen. Hier gehen Rumpf und Haupt ineinander über und erhalten so einen menschenähnlichen Umriss. Der Körper der Figur besteht aus gefärbten Glasscheiben, die von einem leuchtend rot orangenen Ton ins rosafarbene übergehen. Auch kühlere Farbtöne sind vertreten und entfalten vor allem oberhalb der Figur, im Haupt, ihre Wirkung. Kalt und Warm stehen sich gegenüber, treffen durch rot und blau aufeinander und erzeugen ein wirkungsvolles Farbspektrum.
Das hier abgelichtete Glasfenster ist ein eindrucksvolles Exempel für die abstrakte Gratwanderung zwischen ungegenständlicher und amorpher Glaskunst. Es verleitet die Betrachter*innen zu einer eigenen Interpretation, vor allem angeregt durch den Kalt-Warm-Kontrast, der eine einzigartige Lichtstimmung erschafft. Durch einen einzigen Lichtstrahl von außen werden die sonst so weißen Wände des Altarraums in eine farbenfrohe, stimmungsvolle Atmosphäre getaucht. Der Wechsel des angenehm warmen Rotorange harmoniert mit dem zurückhaltend kühlen Blaugrün. Losgelöst von jeglicher christlicher Ikonographie, die für eine katholische Einrichtung üblich ist, greift Unterieser auf eine moderne Glasmalerei zurück, die ihren Besuchern und Bewohnern auch die Möglichkeit eröffnet, im warmkalten Farbspektrum zur Ruhe zu kommen und sich den eigenen Gebeten zu widmen. Unteriesers einzigartige Bildsprache regt die abstrakte Vorstellungskraft an und bietet jedem Besucher einen Ort zur Reflexion und inneren Entspannung.
Der Wuppertaler Glaskünstler (74) und ehemalige Kunsterzieher Udo Unterieser betreibt sein eigenes Atelier und ist vor allem durch seine Glasgestaltung im öffentlichen Raum bekannt. Neben Altenzentren hat er ebenfalls Kirchen, Synagogen und zahlreiche Kapellen während seiner vierzigjährigen Laufbahn
mit seiner Glaskunst ausgestattet.