Mein Haus – Meine zweite Haut: Die Villa Waldfrieden
„Nicht Raumkuben aneinanderreihen, sondern Kraftlinien bilden.“ (Alfred Krause)
Bauherr: Dr. Kurt Herberts| Architekt: Franz Krause| Bauzeit: 1947-1950| Hirschstraße 12 (Barmen) | Denkmal seit: 1992| Denkmalnummer: 2135
Das repräsentative Wohnhaus des Lackfabrikanten Dr. Kurt Herberts befindet sich inmitten eines parkartigen, ca. 15 ha großen Grundstückareals in Hanglage. Die Zuwegung erfolgt über eine in geichförmigen Serpentinen verlaufende Zufahrtsstraße über den Hesselnberg im Waldgebiet Christbusch.
Die heutige sogenannte Villa Waldfrieden ruht auf den Grundmauern eines 1894 errichteten Gebäudes, das Teil eines ausgedehnten Anwesens mit verschieden kleineren Bauten auf den Südhöhen Wuppertal-Unterbarmens war, das Kurt Herberts 1939 für sich und seine Frau erworben hatte.
Namensgeber für das Haus Waldfrieden war ein bereits um 1900 erwähntes Ausflugslokal diesen Namens inmitten des weitläufigen Geländes. Heinz Rasch, der bereits für die Lackfabrik von Kurt Herberts Neubauten errichtet und die Werbeleitung in dessen Firma übernommen hatte, wurde von Herberts damit beauftragt, das Wohnhaus für Herberts und seine Frau zu gestalten. So waren u.a. die Künstler Oskar Schlemmer und Willi Baumeister damit beauftragt worden, Wandgemälde zu entwerfen. Bei den Luftangriffen auf Barmen in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1943 wurde das Haus der Herberts jedoch bis auf die Kellermauern zerstört. Im Gelände unterhalb des Wohnhauses hatte Jahre zuvor der Vorbesitzer ein Haus für Personal inklusive einer Stallung im Erdgeschoss bauen lassen. Dieses Haus überstand im Gegensatz zum Wohnhaus die Luftangriffe.
Mit dem Wiederaufbau seines Wohnhauses beauftragte Kurt Herberts nach Kriegsende nicht etwa Heinz Rasch, sondern den Künstler und Architekten Franz Krause, der bereits seit 1937 für Herberts in dessen Wuppertaler Arbeitskreis im Maltechnikum für ihn tätig war. Die unkonventionellen Entwürfe Krauses gefielen Herberts. Der Bauherr machte nur eine Vorgabe für den Entwurf, das neue Wohnhaus sollte auf dem erhaltenen Souterrain-Geschoss des alten Gebäudes entstehen.
Es gab aber Hindernisse auf dem Weg zum Bau dieses luxuriösen Einfamilienhauses. Die starke Zerstörung Wuppertals führte unmittelbar nach Kriegsende zu einer großen Wohnungsnot, die in einer Wohnungszwangsbewirtschaftung mit einer Maximalwohnfläche pro Kopf resultierte. Zudem war Baumaterial knapp, die Arbeitskräfte wie ebenso Handwerker . Dennoch hielt Herberts an seinen Bauvorhaben fest und im Jahr 1946 legte Krause ersten Skizzen vor.
Die Planung des Bauwerks wurde zu einem gegenseitigem Schöpfungsprozess von Architekt und Bauherr. Herberts ließ sich auf die von Krause so bezeichnete „reziproke Architektur“ ein, d.h. konstruktive Erfordernisse wurden als sekundär eingestuft und erst in einer späteren Plannungsstufe beachtet. Krauses organische Formen eines Bauwerks sollten zu den Bewegungen des menschlichen Körpers, zur Natur und zum Tageslicht korrespondieren:[1] „Wie ein Gewand umhüllt das Bauwerk den Menschen und wird zu einem Ausdruck seines Wesens. Räume werden aus der normalen geometrischen Form zu einem höheren, lebendigen organischen Gebilde geformt (…)“[2]
Das Gebäude ist rauh verputzt. Es erhebt sich auf dem Hügel und gliedert seinen Grundriss auf der Ebene des Erdgeschosses mit einem Eingangsvorbau auf der nordöstlichen Seite und zwei neueren, flügelartigen Anbauten auf der Gartenseite. Aus den scheinbaren Ecken des Gebäudes fließen geschwungene Mauern, die als Beeteinfassungen und Umfassungen von Terrassen und Stützmauern im Gelände auslaufen.
Das Walmdach ist flach geneigt, kragt schlank vor und tritt hinter dem ebenfalls in Schwüngen verlaufenden Vordach zurück. Die zweiläufige Freitreppe zu den beiden Eingangstüren des Souterrains und des Erdgeschosses führt zum ebenfalls geschwungenen Eingangsvorbau, der von einem weit auskragenden, schwingenden Vordach geschützt wird. Die Mauer des Gebäudes scheint mit der Brüstungsmauer der Treppe zu verschmelzen. Das Mauerwerk des Eingangsvorbaus wiederum schwingt weiter in die im danebenliegenden Hang versteckte Garage und endet schließlich als Stützmauer des Hanges.
Die beiden Eingangstüren haben jeweils gerundete Ecken, ein kleines waagerechtes Fenster im oberen Drittel der Tür und werden links auf der Gebäudeseite von vergitterten Fenstern begleitet. Hinter diesen Türen liegen die auf die Bewegungsabläufe der Bewohner zugeschnittenen Zimmer, deren großen Wohnräume sich mit großflächigen Fensterfronten zum Garten hin öffnen und dessen Licht einfangen. Auf der nordöstlichen Seite des Eingangs im Erdgeschoss, also der weniger mit Tageslicht beschienen Seite des Gebäudes, befinden sich die Küche sowie die Mädchenzimmer.
Im Souterrain zeigt sich noch deutlich der rechteckige Grundriss des Vorgängerbaus. Hier liegen hauptsächlich die Wirtschaftsräume sowie drei Büroräume des Bauherrn.
Das Obergeschoss enthält vornehmlich Schlafräume mit jeweils eigenen Badezimmern sowie Balkonen oder Dachterrassen. Um die Möglichkeit des Rückzugs und der Erholung ihrer Bewohner zu gewährleisten, herrscht im Obergeschoss weniger Dynamik als im Wohngeschoss darunter. Alle Schlafzimmer und ihre jeweiligen Bäerd gruppieren sich um eine Diele. Sie sind nicht wie die Räume des Erdgeschosses miteinander verbunden.
Mitte der 1960er Jahre erfolgte ein Anbau an das Esszimmer auf der östlichen Gartenseite. Dieser Anbau wurde von Krause selbst ausgeführt. Daran anschließend wurde aus dem darüberliegenden Balkon eine große Dachterrasse. Auf der gegenüberliegenden südlichen Gartenseite wurde nach Krauses Tod 1980 von Wolfgang Rathke ein zusätzlicher Gartenraum, ein zum Garten vollflächig verglaster Pavillon, hinzugefügt. Beide Anbauten fügen sich harmonisch durch das Aufgreifen der geschwungenen Formen in den Baukörper und scheinen den Garten mit ihren Flügeln aufnehmen zu wollen. Diese „Geste“ gilt ebenso für die beiden Terrassen auf der südwestlichen Seite über zwei Ebenen: „Er [der Pavillon] ist wie der korrespondierende Flügel an der östlichen Seite zum Parrkaum eingeschränkt. Der große Freiraum wird damit im Bauwerk aufgefangen und zentriert.“[3]
Auf die drei Geschosse unterschiedlichen Zuschnitts sind rund dreißig Zimmer Wohn- und Nebenräume verteilt, die jeder eine individuelle Gestalt haben. Insgesamt verfügt die Villa über knapp 400m2Wohnfläche. Die Ausformung des Hausinneren entspricht mit dem Konvex-Konkav-Prinzip der äußeren Erscheinung, alles wurde auf dieBewegungen des Hausherrn und seiner Familien zugeschnitten. Alle Übergange zwischen den Wänden sind gerundet, auch Fenster und Türen sind oberseitig mit gerundeten Ecken versehen. Die Anordnung der Fenster unterwirft sich ganz der optimalen Lichtausnutzung. Die hochwertige und zurückhaltende Ausstattung der Räume, elektrische Fensterheber, indirekte Beleuchtung, eine Klimaanlage sowie die den Räumen zugewiesenen Funktionen sind Ausdruck der Wünsche des Bauherren. So verfügt das Haus über abhörsichere Räume, einen Fluchtraum, eine große Telefonzentrale im Keller, die wiederum mit mehr als 30 in Bronzekästen untergebrachte Außentelefonen im Garten verbunden ist.[4]
Denkmalbegründung
„Die Villa Waldfrieden legt als Bautyp Villa Zeugnis ab von den Wohn- und Lebensvorstellungen der Schicht, der der Bauherr angehörte. Das Haus ist ein über Wuppertal hinaus bedeutendes Beispiel organischen Bauens.[…] Es ist zugleich ein für seine Zeit einzigartiges Beispiel organischer Architektur, da ältere, plastisch gestaltete Bauwerke nicht (auch Rudolf Steiners Goetheanum I und II nicht) als Vorbilder anzusehen sind. Vielmehr ging der Architekt und Künstler Franz Krause bei seinem Entwurf eigene Wege, in dem es ihm vornehmlich auf die Struktur und die Ausformung der Innenräume ankam. Er entwickelte damit aber zugleich einen Außenbau von großer Plastizität, der sich deutlich von den glatten, flächigen Fassaden des internationalen Stils abhebt. Bereits seit Mitte der 20er Jahre hatte Krause den internationalen Stil überwunden und zu einer organischen Architektur gefunden, die mit ihren ausdrucksstarken fließenden Formen auch mit dem Plastischen Stil der Nachkriegszeit vergleichbar ist.“[5]
Anmerkungen
[1] Gerda Breuer: „Der Raum ist man selbst“. Franz Krauses anthropozentrische Gegenentwürfe zur Funktionalistischen Moderne am Beispiel der Villa Waldfrieden, in dies. und Pia Mingels (Hrsg): Franz Krause 1897-1979. Architekt, Künstler, Poet, Köln 2014, S. 17-121, hier: 47ff..
[2] Kurt Herberts: Erinnerungen und Reflexionen, in: Modulation und Patina. Ein Dokument aus dem Wuppertaler Arbeitskreis um Willi Baumeister, Oskar Schlemmer, Franz Krause 1937-1944. Ostfildern 1992, S. 219.
[3] Wolfgang Rathke: Die Villa Waldfrieden, in: Christiane Gibiec: Ein Beweger, ein Impulsator. Der Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts, hrsg. v. Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V., Wuppertal 2010, S. 64-65, hier. S. 64.
[4] Vgl. Art. Haus „Waldfrieden, in: Johannes Busmann: Architektur in Wuppertal, hrsg. v. Bund Deutscher Architekten, Wuppertal 1993, S. 127.
[5] https://www.wuppertal.de/denkmalliste-online/Detail/Show/3766 (Stand 8.02.2021).