Wuppertals größte Vitrine: Geschäftshaus Becher

Bauherr: Firma Raumkunst Becher | Architekt: Hans Becher |Bauzeit: 1954 / 1967 ,| Bankstraße 3 (Elberfeld)| Denkmal seit: 1994| Denkmal-Nr.: 3523

Die Bombenangriffe auf Barmen und Elberfeld im Mai bzw. Juni des Jahres 1943 zerstörten die Innenstadt fast vollständig. So entstanden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche neue Geschäftsbauten. Häufig wurde bei der Konstruktion der Gebäude mit Rasterfassaden, also eine Rasterung mit klaren Stützen- und Trägerabständen, gearbeitet, die kaum Raum für eine individuelle Fassadengestaltung zuließen.

Eine wohltuende Ausnahme ist das Wohn- und Geschäftshaus Becher in der Elberfelder Innenstadt. Es wurde 1954 in Stahlbeton-Skelettbauweise errichtet. Das fünfgeschossige Eckgebäude mit Flachdach an der Herzogstraße / Ecke Bankstraße ist komplett verglast. Die beiden unteren Geschosse werden durch eine gemeinsame, also geschossübergreifende, nach vorne neigende Glaswand zusammengefasst. Die drei darüberliegenden Geschosse betonen durch umlaufende Balkone mit zierlichen Gittern dezent die vertikale Struktur des Gebäudes. Die beiden oberen der genannten Geschosse wurden erst 1967 nach den ursprünglichen Plänen des Architekten angebaut. Die Grundrisslinie des Geschäftshauses orientiert sich am jeweiligen Straßenverlauf, d.h. in der Herzogstraße kann man einen leichten Knick erkennen, während die Gebäudeseite zur Bankstraße gradlinig verläuft.

(C) Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V. / Andreas Komotzki

Der Haupteingang zum Geschäftshaus liegt in der Herzogstraße. Ein weit hervortretendes Betondach überspannt die trapezförmige Eingangsnische auf filigranen Säulen. Der Boden dieses Eingangsbereichs präsentiert sich mit einem schön gestalteten Mosaik des Wuppertaler Künstlers Ernst Oberhoff (*1906- 1980). In der Bankstraße befindet sich am südlichen Ende der Fassade das Haupttreppenhaus mit Aufzug, das alle Geschosse des Gebäudes erschließt.

Bautypologisch wird das Geschäftshaus zur Gruppe der Kleinkaufhäuser gezählt, deren Gesamtkonzept sich eng an Vorgängerbauten der späten 1920er Jahre im Stil des sogenannten Neuen Bauens orientierte mit einem Hervorheben des Horizontalen, dem Einsatz von Beleuchtung zur Gestaltung des Innen- und Außenraumes sowie das Offenlegen der konstruktiven Elemente des Gebäudes. In ähnlicher Weise war 1929-1930 das Kaufhaus Michel (Wall 15), entworfen vom Architekten Emil Fahrenkmap, gebaut worden.

Elemente der 1950er Jahre sind im Becher Geschäftshaus das großzügige zweigeschossige Foyer mit einer zentralen Säule und einer Freitreppe, die das Erdgeschoss mit einem Zwischengeschoss verbindet. Das schlicht gehaltene Treppengeländer läuft fließend in das Brüstungsgeländer über. Die Beleuchtung verbindet den Innenraum mit dem Äußeren, der Straße. Über der Treppe wurde ein Becher, das Zeichen der Familie des Architekten Hans Becher und des Bauherrn Edmund Becher, als Accessoire angebracht.[1]

Der Architekt Hans Becher entwarf das Geschäftshaus im Auftrag seines Bruders Edmund Becher, der die Familientradition eines Möbelhauses, das bereits 1914 an seiner ersten Station am Kipdorf den Namen „Raumkunst“ trug, an dieser Stelle fortführte: Raumkunst Becher eröffnete nun in der Herzogstraße seine Pforten, um Raum(gestaltung) und Kunst erneut unter einem Dach zu vereinen. Der Architekt selbst bezeichnete einmal seinen Entwurf als großes „Glasvitrine“.

Denkmalbegründung

„Das Gebäude […] zeigt anschaulich zahlreiche Aspekte der Baukunst der Fünfziger Jahre. Neben den oben erwähnten Aspekten, die sich direkt von Beispielen der Vorkriegszeit herleiten lassen, finden sich neben der Treppe im Inneren noch weitere, erst in den Fünfziger Jahren verwendete bauliche Details. Als Beispiel dafür ist die zweigeschossige Verglasung der Schaufenster zu nennen, die erst zu dieser Zeit technisch möglich wurde. Oder auch das nahezu vollständige Auflösen der Fassaden in Glasflächen, das vorher nur in wenigen Beispielen, u. a. bei Mies von der Rohes Projekt am Berliner Friedrichsplatz von 1921, angedacht wurde und erst nach dem Krieg erstmals zur Ausführung kam (z. B. Bernhard Pfau, aus der Glasindustrie, Düsseldorf, 1951). Als qualitätsvolles Beispiel für eine Strömung in der Baukunst dieser Zeit verdient das Gebäude wissenschaftliches Interesse.“[2]

(C) Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V. / Andreas Komotzki

Anmerkungen

[1] Zum Gebäude  vgl. Art. „Geschäftshaus Becher“, in: Johannes Busmann: Architektur in Wuppertal, Wuppertal 1993, S. Zu Hans Becher vgl. Ruth Meyer-Kahrweg: Architekten, Bauingenieure, Baumeister, Bauträger und ihre Bauten im Wuppertal, Wuppertal 2003, S.24f.

[2] https://www.wuppertal.de/denkmalliste-online/Detail/Show/1809 (Stand: 08.02.2021).