Die Welt der Kunstfaser in Wuppertal: Die Glanzstoffgebäude

Bauherr: Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG| Architekt: Hanns Dustmann | Bauzeit: 1954-1964 | Adresse: Herzogstr. 31, 33 / Kasinostraße 19, 23 / Mäuerchen 16 (Elberfeld) | Denkmal seit: 2001 | Denkmalnummer: 4189

Der Gebäudekomplex bestehend aus Hochhaus und Verbindungsbau zum ehemaligen Apollo-Kino (Kasinostraße), dem Kasinogebäude mit Verbindungsbau (Herzogstraße) und dem Textiltechnischen Institut (Bankstraße) befindet sich im Stadtkern von Elberfeld. In der Mitte der Gebäudegruppe gibt es einen Freiplatz, der größtenteils als Parkplatz genutzt wird. Eine interessante Entscheidung ist, dass der alte Baumbestand als Ausgangspunkt für den Gesamtentwurf in die Planung einbezogen und erhalten wurde.

In der Blütezeit der VGF sah man sich mit dem Problem konfrontiert, dass die Hauptverwaltung über 17 Gebäude verteilt war.[1] So entschied man sich dazu – auch aufgrund der Prosperität – einen Hochhauskomplex errichten zu lassen und beauftragte hierfür Hanns Dustmann. Nachdem der erste Entwurf aufgrund von Budget-Überschreitung abgelehnt wurde, konnte der zweite Entwurf 1954 vom Aufsichtsrat abgesegnet werden.

Der Gebäudekomplex ist in der U-Form angelegt und öffnet sich zur Wupper hin. Das westliche große Hochhaus dominiert den Komplex und ist gewissermaßen als „Querriegel“ zur länglichen Stadt angelegt. Es besitzt 15 Geschosse, hat einen länglichen, rechteckigen Grundriss mit einer Fläche von 64 x 13,8 m. Das Hochhaus ist 55 m hoch und in der Stahlbetonskelletbauweise errichtet. Diese Bauweise und die Dreiteilung des Gebäudes führen zu einer ebenfalls dreiachsigen Gliederung der Längsfronten und dient der Abwindverteilung. In der horizontalen Gliederung weist jedes Geschoss 24 Fenster (3 x 8) auf. Ein konkav geschwungenes Vordach markiert den mittigen Haupteingang zur Kasionstraße hin, das auf schlanken Stützen ruht.

(C) Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V. / Andreas Komotzki

Verblendet wurde das Gebäude mit Traventin- und Muschelkalkplatten (Gaubüttelbrunner), die strenge Gliederung verweist auf traditionelle/klassische Gestaltungsprinzipien und zeigt Dustmanns Verwurzelung in der monumentalen Architektur der NS-Zeit. Weitere Indizien sind die  Bronzearbeiten des umstrittenen Bildhauers Arno Breker, beispielswiese die Türgriffe mit dem Glanzstofflöwen. Es wurde auch auf eine edle Innenraumausstattung Wert gelegt, so wurde das Foyer beispielsweise mit italienischem Marmor verkleidet.

An der Herzogstraße befindet sich das 1957 vollendete Kasinogebäude. Der dreigeschossige Bau hat einen Dachgarten und ist in der Gestaltung den Haupt- und Nebengebäuden ähnlich. Heute befindet sich das Café und Bar Celona Wuppertal in diesen Räumlichkeiten.

An der Bankstraße findet der Gebäudekomplex seinen Abschluss in einer dreifach gestaffelten Baugruppe des Textiltechnischen Instituts, welches 1962 errichtet worden war. Die drei versetzten Gebäude sind ebenfalls ursprünglich dreigeschossig und wurden 1964 von Dustmann um ein weiteres Obergeschoss in Form eines Staffelgeschosses ergänzt.[2]

(C) Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V. / Andreas Komotzki

Denkmalbegründung

„(…) Das Hochhausgebäude, das zu den ersten Hochhausbauten der Nachkriegszeit zählt, stellt ein typisches Zeugnis für den Verwaltungsbau der 50er Jahre dar, der sich als Produkt aus Konstruktion und Gebrauchszweck wie bei allen Verwaltungsbauten üblich offenbart. Der Rasterbau als Ausdruck konstruktiver und räumlicher Ordnung ist logisches Erscheinungsbild des Skelettbaus Konstruktionsprinzips und der Addition vieler gleicher Raumeinheiten. Dennoch sind am Glanzstoff-Hochhaus traditionell bewährte Gestaltungsprinzipien auszumachen, die die Verwurzelung Dustmanns in der klassischen Baukunst offenbaren. Die Wahl eines Konstruktionsprinzips, das auf die streng modulare Komposition amerikanischer Prägung (vgl. Mannesmann-Hochhaus, Düsseldorf) verzichtet, die Verkleidung des Hochhauskörpers mit Travertin- und Muschelkalkplatten, deren unterschiedliche Farbigkeit zu einer dekorativen Gliederung der Wandflächen genutzt wird (Geschossgesimse und Lisenen assoziierend), die optisch kaum wahrnehmbaren Höhenunterschiede zwischen Erdgeschoss und 15. Obergeschoss (4,80 m) und den übrigen Obergeschossen (3,20 m), womit ein Sockel- und Abschlussgeschoss angedeutet wird, die Akzentuierung des zentriert angelegten Eingangsbereiches mit einem dominanten Vordach, alle diese Gestaltungselemente sind einer akademischen Architekturauffassung verpflichtet. Das zitieren klassischer Ordnungsprinzipien, der Verzicht auf Transparenz bei der Fassadengestaltung und konsequentes Sichtbarmachen des Konstruktionsprinzips: Auf Grund dieser Kriterien sind Dustmanns Bauten exemplarisch für die konservative Strömung der 50er Jahre-Architektur. (…)

Die Gebäudegruppe hat darüber hinaus Zeugnischarakter für die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte Elberfelds. Die 1899 in Elberfeld gegründete Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG hatte ihren Unternehmenssitz bereits 1901 von Aachen nach Elberfeld verlegt. Die hervorragenden Zukunftschancen der Chemiefasertechnologie und Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg gaben dem Unternehmen die Möglichkeit, ein repräsentatives, der wachsenden Prosperität des Unternehmens gebührendes Bauprojekt in Angriff zu nehmen, das zudem eine empfindliche Lücke im städtischen Organismus Elberfeld schloss. (…)“[3]

(C) Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal e.V. / Andreas Komotzki

Anmerkungen

[1] Vgl. Wessel 2018.

[2] https://www.wuppertal.de/denkmalliste-online/Detail/Show/4149 (Stand: 12.02.2021).

[3] https://www.wuppertal.de/denkmalliste-online/Detail/Show/4149 (Stand: 12.02.2021).